Willkommen zum Leben des Oscar Wilde

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First test blog entry

2018-11-18 17:22

it has been my wish to spread the word about Oscar Wilde for a long time, while I hesitated to go beyond having books and articles printed. I still do distrust web mechanisms when they are controlled by large money-making institutions, just as I do not fancy one-sided presentations for the sake of silencing minority views. So it took a long time until I finally decided to launch my own blog, concentrating on Oscar Wilde rather than trying to present all my interests.

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Wildes Hauptwerk

Alles über
"Das Bildnis des Dorian Gray"

Über mich

Jörg W. Rademacher, Jahrgang 1962, geboren und aufgewachsen in Westfalen. Studium an den Universitäten Münster, Dundee und Lille. Staatsexamen 1988. Promotion 1993. Wissenschaftler, Sprachlehrer sowie Autor und Übersetzer bis 2002 in Münster. Seit 2002 Gymnasiallehrer, Autor und Übersetzer in Ostfriesland. Beschäftigung mit Oscar Wilde seit 1988. Veröffentlichungen zu Wilde seit 2000 als Biograph und Herausgeber beziehungsweise Übersetzer, regelmäßig im Elsinor Verlag seit 2012, seit 2015 auch Herausgeber und Übersetzer von Oscar-Wilde-Kalendern.

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Ein Kalender im Werden 2023

Obwohl Angebot, Verkauf und Versand des laufenden Kalenders beim Zusammenstellen dieser Überlegungen erst Wochen her sind, finde ich, dieses Projekt hat einen weiteren Schritt getan, denn nun ist endlich ein Gleichgewicht von Wort und Bild gefunden, und Günter Plessow ist der Vers-Übersetzer, während ich zwei von Egon Günthers Gedichten ins Englische übersetzt habe nebst Auswahl, Arrangement und dieses Mal knapper Kommentierung der Gedichte. Wer mag, sieht sich die Geschichte der Oscar-Wilde-Kalender, vertreten durch die Cover, auf meiner Webseite an: oscar-wilde-blog.de.
Tatsächlich steht nur dank Günter Plessows Fleiß beim Übersetzen der von ihm “Lyrische Notizen” genannten Gedichte ins Deutsche im Jahr 2021 eine nicht unbeträchtliche Auswahl von Wilde-Poemen aus den 1870er bis 1890er Jahren, inklusive “Die Sphinx” und “Die Ballade vom Zuchthaus Reading”, für die Wiederveröffentlichung in diesem Kalenderprojekt zur Verfügung. Auch deshalb ist dieser Oscar-Wilde-Kalender verglichen mit früheren Ausgaben auf Poesie einerseits und auf englische wie deutsche Verse andererseits konzentriert. Zug um Zug die hier gewählten Poeme ansprechend, füge ich hier auch Miniaturen der Collagen ein, um den kompletten Kalender Revue passieren zu lassen.

Januar

Willie Wilde
Salome

Mein Anblick einer verzehrenden Flamme glich
Ihre Herzen mit Feuer verbrannt’ so frei von Scham
In jener Nacht, da ich vor den Männern tanzte ohne zahm !
Furchtlos und ruchlos ! denn alle Scham jungfräulich
Besiegt der pochenden Leidenschaft Gift wie seltsam
Als aller Augen fixierten sich auf mich
Und jede Seele mein war, alle waren nur noch ich, –
Und jede Kehle dreimal schrie laut meinen Nam’ !

Sprach der schwarzbärtige Herodes : “Nenn mir dein Begehr”.
Gott kannte das kuriose Ding, das als Preis ich fand :
“Gib mir flugs das Haupt”, wünschte ich doch sehr
“Von Johannes dem Täufer.” Es liegt auf meiner Hand.
“Ach Mutter ! sieh ! die Lippen, Augen halb offen nur mehr –
Meinst du, er haßt uns, nun, da er ist in der Toten Land ?”

Noch einmal eröffnet William Wildes Sonett “Salome” den Kalender. Das Bild des Kopfes schockiert zwar, aber ebenso sehr mag es immer wieder schockieren, sich der Wirklichkeit eines Neuen Jahres zu stellen.

Februar

Egon Günther
weißer morgen

(in gedenken an erich mühsam)

zeitig wird der wahnsinn wach
streckt bebend seine glieder
draußen tost ganz wild der bach
übertönt der vögel lieder

nah steht der feind
hoch steigt die flut
die wache drängt
roh in die latrinen
fernab der freund
tief sinkt der mut
zum krieg bereit
sind nur maschinen

der weiße mord unterhöhlt
den mürben damm
der kaum noch hält die hassverzehrte meute
so manchem wird ums herz
nun kalt und klamm
er dünkt sich bereits des abschaums feste beute
unterm firnis der zivilisation bleckt
– vulgär und nackt –
das unrecht forsch die fresse
der trommler der nation heckt
unheilen takt
verleumdung speit enthemmt die presse

des gemordeten gruß aus dem grabe
er gilt nicht euch – den mördern
die ihr mit barbarischem gehabe
suchtet das recht zu fördern
das ihr befunden habt für recht:

die tradition von herr und knecht
mitsamt der willkür alter sonderrechte
keine gegner seid ihr die er achtet
nur verachtenswerte folterknechte
selbst wenn ihr überheblich trachtet
die welt euch untertan zu machen

er kann euch bloß im grab verlachen
und falls ihr sie gewinnt sogar
mit trug und macht und eisen
euer herrentraum wird niemals wahr
die zukunft mag’s erweisen

Für das Poem “weißer morgen” des deutschen Poeten, Malers, Schriftstellers und Übersetzers Egon Günther war 2022 kein Platz. Wie Oscar Wilde erduldete der deutsch-jüdische Sozialist Erich Mühsam (1878-1934) viel, ehe er in Haft für seine Überzeugungen sogar getötet wurde.

März

Oscar Wilde
Am Arno

Der Oleander am Gemäuer
wird purpurrot im Dämmerlicht,
noch lichtet sich die Nacht ja nicht,
die auf Florenz liegt wie ein Schleier.

Der blanke Tau blinkt auf dem Hang,
und Blüten blinken über mir ;
wo sind die Grillen ? zirpt denn hier
kein leiser attischer Gesang ?

Die Blätter lassen sich nicht stören ;
weich weht die Brise, laue Luft ;
einsam im Tal bei Mandelduft
ist nur die Nachtigall zu hören.

Bald heißt der Tag dich stille sein –
O sing doch weiter, Nachtigall !
doch schon zersplittern überall
Mondpfeile tief im Schattenhain.

Bevor in see-grünem Gewand
der Morgen sich von dannen stiehlt,
und Liebchens Auge sich enthüllt
wie Dämmer mit der weißen Hand

nach Osten greift, die Nacht erklimmt
bis sie verschwimmt – ganz ohne Acht,
was meinem Herzen Freude macht
oder die Nachtigall mir nimmt.

Poeme Wildes wie “Am Arno” (März), “Winter wird aus Frühlingstagen (zu Musik)” (April), “San Miniato” (Mai), “In Verona” (Juni) und “Italia” (Juli) zeichnen jeweils spezifische Momente an mehr oder minder klar definierten Orten auf. “Am Arno” ist explizit in Florenz angesiedelt, atmet eine romantische Atmosphäre mit Anklängen an die Toskana, aber auch an einen College-Rasen in Oxford im Morgengrauen.

April

Oscar Wilde
Winter wird aus Frühlingstagen

(zu Musik)

Zur Frühlingszeit, wenn alles grünt,
– wie munter doch die Drossel singt –
suchte ich Liebe, unverdient,
verworren, wes ich mich erkühnt ;
O Tauber, du warst goldbeschwingt !

Umblüht in weiß und rot wie Mohn
– wie munter doch die Drossel singt –
bekam ich sie zu sehn : Vision
der ersten Liebe, liebte schon ;
O Tauber, du warst goldbeschwingt !

Die Äpfel glühten lichterloh.
– Wie munter doch die Drossel singt !
O Liebe, die du sowieso
zu groß bist für die Leier, O –
O Tauber, du warst goldbeschwingt !

Doch nun liegt Schnee, der Baum steht grau,
– wie traurig nun die Drossel singt !
die Liebe tot ; und ich, der Tauber,
lag zu Füßen einer Frau,
gebrochen nun und unbeschwingt !

Ah, Liebe ! wer erschlug mein Glück ? –
O Tauber, Taube, kehr zurück.

“Winter wird aus Frühlingstagen (zu Musik)” enthält die Farben der Trikolore Italiens, also mag es konkret ebenfalls dort angesiedelt sein, während das Poem allgemein noch immer eine romantische Sicht der Jahreszeiten spiegelt.

Mai

Oscar Wilde
San Miniato

Schau, diesen Berg stieg ich hinan
hinauf zum heiligen Gotteshaus :
Angelico malte es aus,
er sah die Himmel aufgetan

und überm Halbmond auf dem Thron
Jungfrau Maria ! Königin –
Säh᾽ ich dein Antlitz, käm᾽ darin
kein Tod mehr vor – Dank deinem Sohn !

Dornengekrönt von Gott – O Schmerz !
O Christi Mutter ! – dich besingen,
so tief verzagt ? s’ müßt mir mißlingen ;
dies Leben leid ist dieses Herz !

Gekrönt von Gott : Liebe und Schwert !
Gekrönt von Christus, dem All-Einen !
Erhör mich, eh die Welt von meinen
Sünden so sonnenklar erfährt !

Ebenso nimmt uns “San Miniato” (al Monte) mit auf einen vorgestellten oder realen Ausflug zu einer Kirche in den Hügeln jenseits des Arno und weist auf Kunst- und Religionsgeschichte.

Juni

Oscar Wilde
In Verona

Wie steil die Stiegen sind in den Palästen !
zu müde meine Füße im Exil,
und O wie bitter ist das Brot, es fiel
von diesem Hunde-Tisch ! – ich wär am besten
im Krieg gestorben statt an Speiseresten,
hätt᾽ baren Haupts Florenz erreicht, mein Ziel,
und hätt᾽ vom Wesen meiner Seele viel
bewahrt, statt so zu leben – mit Gebresten.

‘Fluchst Gott und stirbst, als gäb᾽ es nichts zu hoffen ?
steht dir die goldne Stadt denn nicht mehr offen,
der jüngste Tag, nun Er dich so vergaß ?’ –
nein, still : mir bleibt auch hinter Kerkerstangen
die Liebe, die ich immer schon besaß,
und Sterne, die mir glorreich aufgegangen.

“In Verona” ist ein Sonett, das von Dante Alighieris Aufenthalt dort erzählt, während es natürlich jedem, der Wildes späteres Los kennt, frei steht, in Worten wie “Exil” und “hinter Kerkerstangen” eine Vorahnung zu assoziieren (vgl. “Die Ballade vom Zuchthaus Reading”). Die Farben “Gelb” und “Gold” verwendet Wilde überall, obwohl, wer Verona besucht oder nur passiert, sie noch heute mit der Stadt assoziieren würde.

Juli

Oscar Wilde
Italia

Italia ! gefallen du, so kühn
deine Armeen auch viel Lärm bereiten,
sie scheitern an Siziliens Gezeiten !
Gefallen, ach ! dein goldenes Reich – ein Spleen !
du Königin der Völker ? vormals schien
der Wind deine Galeeren zu geleiten,
stolz über deinen Saphirsee zu reiten
und unter einer Flagge rot – weiß – grün.

O Schöne, Starke ! Starke ? Schöne ? Nein !
Schau südwärts : Rom entweiht, wird jemals wieder
sein König gott-gesalbt sein, rein im Glauben ?
Schau himmelwärts ! wird Gott es denn erlauben ?
fährt flammend nicht ein Raphael hernieder,
schlägt mit dem Rächerschwert mitten hinein ?

“Italia” spiegelt klar Wildes Affinität zum Spiel der Farben verbunden mit jenem Land wie mit den Geräuschen von “lärmenden Armeen”. Das Poem ruft Italien an als Frau, als Gefallene, ein in jeder Hinsicht gescheiterter Staat, ohne den größeren historischen Rahmen zu vernachlässigen. So gehört dieses Sonett zu den schwer zu übersetzenden Poemen.

August

Oscar Wilde
La Dame Jaune – Die Dame in Gelb

Das zauberhafte Bernsteinband
das ihren Hals so hold umschloß,
legte sie ab, die Arme bloß,
löste ihr gelbes Hausgewand,

löste die Stützen aus Satin,
limonengelbe, nahm den Kamm,
gekerbt aus Elfenbein – Madame
bei Kerzenschein toupiert : enfin –

ich sah die Locken, sah etwas
wie Honig – tropfend von der Nadel ;
ein jedes Härchen hielt auf Adel :
Goldfaden im Murano-Glas.

“La Dame Jaune – Die Dame in Gelb” repräsentiert indes den Poeten Wilde anders, nicht mehr eher konventionell als poetischen Diaristen, sondern als Beobachter, der bei jener Dame winzige Bewegungsmomente aufzeichnet, wie es ein Impressionist täte. Farben in Tönen wie “Bernstein” und “Honig” treffen als erste Klimax dieses Effekts in Wildes Poesie auf variierte Schattierungen von “Gelb”, “Limone” und “Gold”.

September

Oscar Wilde
Phädra

Gewohnte Welt – wie stumpf und leer muß sie
für Eine sein, die mit Mirandola
hätt᾽ reden und lustwandeln sollen damals
in Florenz in der Akademie :
für Pan, den Ziegenhuf, Ried sammeln sollen,
wo weiße Mädchen spielten und erschraken :
Odysseus auf der Lichtung der Phäaken,
erweckt aus Träumen, tief bedeutungsvollen.

Hielt eine Urne aus attischer Zeit
denn deinen Staub ? und kommst du nun weither
in die gewohnte Welt, so stumpf wie leer ?
warst du den sonnenlosen Tag so leid ?
die Felder ohne Duft, die toten Seelen ?
lieblose Lippen küssen Asphodelen ?

“Phèdre” und “Portia” weisen auf Jean Racines Tragödie gleichen Titels und William Shakespeares Problemstück Der Kaufmann von Venedig, wobei Venedig in “La Dame en Jaune” auch verbal präsent ist. Tatsächlich zählt dieses zu Lebzeiten unveröffentlichte Poem, offenbar ohne biographische Anklänge, nicht zur Liste der Frauen gewidmeten Werke wie die beiden anderen, die Wilde für die Aktricen Sarah Bernhardt und Ellen Terry schrieb, zwei Darstellerinnen von Phèdre und Portia auf Londoner Bühnen 1879/1880.

Oktober

Oscar Wilde
Portia

Mich blendet nicht Bassanio, der auf Blei
gesetzt und all sein Hab und Gut riskiert,
nicht Aragon, der nun nicht mehr stolziert,
nicht, daß Marokkos Herz erkaltet sei,
nein – ein Gewand aus Gold brachte mir bei
was goldner als die Sonne selbst brilliert :
keine, die Veronese porträtiert,
war halb so schön wie du – wie Zauberei.

Noch schöner, als, mit Weisheit angetan,
Venedigs Anwältin in schlichter Würde
dem abgefeimten Juden seinen Plan
und so Antonios teures Herz entwand –
O Portia ! nimm mein Herz in deine Hand :
ich hadre sicher nicht mit dieser Bürde.

“Phèdre” und “Portia” weisen auf Jean Racines Tragödie gleichen Titels und William Shakespeares Problemstück Der Kaufmann von Venedig, wobei Venedig in “La Dame en Jaune” auch verbal präsent ist. Tatsächlich zählt dieses zu Lebzeiten unveröffentlichte Poem, offenbar ohne biographische Anklänge, nicht zur Liste der Frauen gewidmeten Werke wie die beiden anderen, die Wilde für die Aktricen Sarah Bernhardt und Ellen Terry schrieb, zwei Darstellerinnen von Phèdre und Portia auf Londoner Bühnen 1879/1880.

November

Oscar Wilde
Hélas !

Steht es dafür, daß sie sich treiben läßt
mit jeder Leidenschaft, bis jeder Wind
auf meiner Seele Laute spielt ? Wo find
ich meiner weisen Skepsis letzten Rest ?
Mich dünkt, mein Leben ist ein Palimpsest :
besudeltes Geheimnis, rätselblind,
Gekritzel und Geklingel, Dudelquint,
ein Abzählreim auf einem Kinderfest.

Gewiß gab᾽s eine Zeit – ich stieg empor
zur Sonne, aus dem Mißklang meines Lebens
drang ein Akkord, erreichte Gottes Ohr –
ist sie dahin ? Ich rührte mit dem Rohr
nur an die Süße träumerischen Strebens,
und was die Seele erbte, war vergebens ?

“Hélas !” mit französischem Titel weist auf dunkle Vorahnungen des lyrischen Ichs, welche ein Novembernebel nicht nur in der Stadt London auslösen könnte, die Wilde ganz genauso gut kannte wie der Impressionist Claude Monet, wobei Schreiben und Musik in dem Gedicht ebenfalls ihren Part erhalten.