Edgar Allan Poe: Eine Fahrt hinab zum Malstrom
Vortrag am 06.November 2024 um 19:00 Uhr
Von der Webseite der Landesbibliothek Oldenburg:
Wie das Lesen uns hilft, gerade heute Grenzerfahrungen auszuhalten: Dr. Jörg W. Rademacher stellt seine Neu-Übersetzung der Poe-Erzählung mit den Collagen von Ulrich Hoepfner vor.
Edgar Allan Poe, vor 175 Jahren mit gerade vierzig Jahren gestorben, zeigt uns noch heute, wie sich mit Ambivalenzen, gar mit absoluten Zweifeln umgehen lässt. Was er selbst im Leben kaum aushält, das bringt er uns in der Gestalt seines Icherzählers in A Descent into the Maelström, auf Deutsch: Eine Fahrt hinab zum Malstrom, nahe.
Ursprünglich für eine amerikanische Zeitschrift geschrieben, in Frankreich dann in Übersetzung (u.a. von Charles Baudelaire) auf gleiche Weise publiziert, ist diese Icherzählung – egal ob auf Englisch oder auf Deutsch – in einer Sitzung, an einem Nachmittag oder an einem Abend zu erlesen. Das werden auch Leser der neuen zweisprachigen Ausgabe bestätigen können, die gleichzeitig mit diesem Vortrag vorgestellt wird.
Doch wer immer sich dieser Lektüre stellt – ob mit oder ohne begleitendes Bildmaterial –, dem werden die Bilder, die der Text im Kopf schafft, wie auch jene, die in Serien von Schwarzweiß-Holzschnitten oder in farbigen Collagen vorliegen, einen je eigenen Bildfilm schaffen. In den traditionellen Rahmen von Icherzähler und Zuhörer gestellt, entsteht in jedem Fall so etwas wie eine intensive Lagerfeuerstimmung.
Dabei ist die Rahmenerzählung wohl hauptsächlich den Erwartungen der zeitgenössischen Leserschaft geschuldet, vor allem denen des zeitgenössischen Publikums in Amerika, mehr jedenfalls als den eigentlichen Zielen des Autors. Edgar Allan Poe hat hier wie so oft bewusst konstruiert, seine Sprache präzise gewählt und auch wissenschaftliche Quellen genutzt, die ihm zugänglich waren.
Viele Leser und Leserinnen, dessen ist sich der Referent bewusst, entsinnen sich einige Zeit nach der Lektüre nur noch des groben Verlaufs der Handlung, nicht aber der vielen Einzelheiten des Textes. Diese sind oft in nur knappe Absätze gefügt; sie lassen sich auch jeweils für sich lesen, um die Grenzerfahrungen des Malstroms überhaupt aufnehmen zu können. Poe schöpft den Wortvorrat des Englischen aus – und nötigt zu ähnlichen Anstrengungen auch im Deutschen.
Mit Kostproben aus dem englischen und deutschen Text, begleitet von den Collagen Ulrich Hoepfners, wird uns der Referent, Herausgeber und Neu-Übersetzer des Bandes, an das Abenteuer einer Fahrt hinab zum Malstrom heranführen. Dabei stellt er die Erzählung in den Kontext von Poes Lebenszeit.
Dr. Jörg W. Rademacher, Jahrgang 1962, studierte die Fächer Anglistik und Romanistik in Münster, Dundee und Lille und wurde 1993 promoviert. Er war viele Jahre als Übersetzer und Autor sowie Ausstellungskurator tätig und arbeitet seit 2004 als Gymnasiallehrer für Englisch und Französisch in Nordwestdeutschland. Er ist Herausgeber des zweisprachigen Oscar-Wilde-Kalenders und seit 2018 Betreiber des Oscar Wilde Blogs.
Eine Fahrt Hinab zum Malstrom – A Descent into the Maelström. Zweisprachige Ausgabe. Übers. u. mit einem Nachw. hrsg. v. Jörg W. Rademacher. Coesfeld: Elsinor Verlag 2024. LBO-Signatur: 24-8285.